Netzintegration von Speichern: Eckstein für Erneuerbare Energien
Im ersten Quartal 2023 trugen die Erneuerbaren Energien bereits rund 50 Prozent zum Strombedarf in Deutschland bei. Deren volatile Verfügbarkeit und die stark schwankende Nachfrage machen den Einsatz von Speichertechnologien aber zur zentralen Herausforderung.
Für ihre Netzintegration sind Leistungselektronik, Normen und Technische Regeln entscheidend, um Netzstabilität und Netzqualität zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen Speicher außerdem in Strommarktmechanismen eingebunden werden. Möglich machen das intelligente Normen, an denen die DKE Expert*innen arbeiten.
Die Stromnetze in Europa müssen immer bestimmte Parameter erfüllen, um die Netzstabilität und Netzqualität zu gewährleisten. Im Niederspannungsnetz der Verteilnetzbetreiber zur Versorgung von Haushalten gilt der Spannungseffektivwert von 230 Volt (V). Die Netzfrequenz muss in engen Toleranzbereichen immer exakt 50 Hertz betragen. Diese Frequenz von Wechselstrom können die Netzbetreiber nur erreichen, wenn sie Angebot und Nachfrage nach Strom ausbalancieren. Diese Balance erzielen sie mit Regelenergie und regelbaren Lasten. Bei der Regelenergie schalten sie Erzeugeranlagen dazu, um eine erhöhte Nachfrage bei absinkender Frequenz zu bedienen und bei 50 Hertz zu halten. Steht keine Erzeugeranlage zur Verfügung, werden Lasten, wie beispielsweise industrielle Großverbraucher, vom Netz genommen.
Von wenigen Tausend hin zu Millionen an Erzeuger- und Speicheranlagen
Das hat weitreichende Folgen für die Aufrechterhaltung der Netzstabilität und Netzqualität, denn die physikalischen Eigenschaften dieser Anlagen sind schwieriger zu integrieren. Da Erneuerbare Energien immer Gleichstrom erzeugen und speichern, müssen sie für die Stromeinspeisung in die Netze über Wechselrichter den Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln, wobei minimale Energieverluste entstehen.
Diese Wechselrichter können jedoch, anders als beispielsweise Synchrongeneratoren in konventionellen Kraftwerken, Spannungsschwankungen nicht ausgleichen. Aber Speichertechnologien lassen sich für diese netzstabilisierenden Aufgaben aufrüsten.
Netzdienliche Funktionen von Speichern
Stromspeicher übernehmen heute schon systemstabilisierende Funktionen in den lokalen Verteilnetzen. Beispielsweise reduzieren kleine zehn Kilowatt Akkus für eine private PV-Anlage zur Erhöhung des Eigenstromverbrauchs die Netzlast. Und Großspeicher, wie der in Jardelund nahe Flensburg mit einer Leistung von 48 Megawatt und einer Kapazität von mehr als 50 Megawattstunden, stellen Regelenergie bereit. Solche Speicher funktionieren als Verbrauchs- und als Erzeugeranlagen, wenn sie Strom aus dem Verteilnetz beziehen oder einspeisen.
Voraussetzung ist ein Energiemanagementsystem mit der Funktion, den Netzbezug zeitweise über ein externes Steuersignal zu begrenzen oder aber umgekehrt, netzdienliche Einspeisung bei vollem Ladezustand abzufordern. Dieses Signal sendet der Netzbetreiber etwa dann aus, wenn er zur Netzstabilisierung (Spannung und Frequenz) Regelstrom benötigt.
Lokale Speicher helfen bei der Realisierung der Netzoptimierung
Mit solchen Speichern können die Verteilnetzbetreiber ein lokales Lastmanagement betreiben und Angebot- und Nachfrageschwankungen auffangen. Je mehr ein lokaler Netzbetreiber auf solche regelbaren Lasten und Speicherpotenziale zurückgreifen kann, desto eher kann er in seiner Region die Netzoptimierung dezentraler Energieleistung voranbringen und auf den kostspieligen und langwierigen Ausbau des Netzes reduzieren beziehungsweise verzichten. Speicher können zudem weitere Dienstleistungen für die lokale Netzoptimierung-, -stabilisierung und -qualität bereitstellen. Neben Regelleistung sind dies vor allem auch Blindleistung.
Bei Wechselstrom kann zwischen Erzeugeranlagen und großen Verbrauchern mit Spulen und Kondensatoren Blindstrom entstehen, der über Blindleistung für die Netzstabilität zu kompensieren ist. Speicher können zudem als abschaltbare Lasten bei einem Störfall helfen sowie zum Wiederhochfahren des Netzes beim sogenannten „Schwarzstart“ nach einem kompletten Netzzusammenbruch beitragen.

Im April 2023 waren in Deutschland bereits Batteriespeicher mit 4,82 Gigawatt Leistung und 7,16 Gigawattstunden Kapazität installiert, die zum größten Teil auch für die Primärregelleistung zur Netzstabilisierung genutzt werden. Bei einem aktuell geplanten, forcierten Ausbau von Batteriespeichern werden sie schon bald die Leistung und Kapazität von Pumpspeicheranlagen übertreffen. Diese mit Wasserkraft betriebenen Anlagen sind seit Jahrzehnten ein Klassiker für zuschaltbare Regelenergie. Aktuell beträgt ihre installierte Leistung in Deutschland 6,7 Gigawatt mit einer Kapazität von 9,6 Gigawattstunden.
Über Wechselrichter müssen Batterien den Wechselstrom vor der Speicherung in Gleichstrom umwandeln, wobei ebenfalls ein geringer Prozentsatz der Energie verbraucht wird. Anders als beispielsweise Synchrongeneratoren, wie sie in Pumpspeichern zum Einsatz kommen, bieten Wechselrichter bei einer höheren Netzfrequenz keinen Ausgleich. Diesen erbringen Synchrongeneratoren, indem sie bei steigender Frequenz über 50 Hertz eine höhere Drehzahl erzielen und damit frequenzausgleichend eine Dienstleistung für die Netzqualität erbringen.
Weitere Herausforderungen von Speichern liegen in frequenzbeeinflussenden Oberschwingungen und Stromharmonischen. Das sind Schwingungen ober- oder unterhalb der für die Netzqualität entscheidenden 50 Hertz. Oberschwingungen entstehen immer, wenn Strom durch nichtlineare Lasten fließt wie beispielsweise bei der Nutzung von LED-Beleuchtung. Energiespeicher können diese Oberschwingungen verstärken und somit die Netzqualität beeinträchtigen.
Leistungselektronik ertüchtigen Speicher für netzdienliche Systemleistungen
Normen bereiteten den Weg für die Netzintegration von Speichern
Diese Normen und Regeln befindet sich angesichts der technischen Entwicklungen in Überarbeitung, die aktuell in den internationalen, europäischen und deutschen Normungsorganisationen sowie dem Forum Netztechnik/Netzbetrieb (VDE FNN) beraten werden. Eine entscheidende Triebkraft für die Weiterentwicklung dieser Normenreihe bildet das Normungsgremium DKE/UK 261.1, das in Personalunion von dessen Vorsitzendem auch im IEC/TC 120 vertreten ist.
Normungsgremien von IEC und DKE arbeiten weiter an Normen
Aktuell berät IEC/TC 120 vor allem über Fragen der Netzstabilität, wenn immer mehr klassische Großkraftwerke abgeschaltet werden. Dabei wollen sie Parameter definieren, wie die Netze auch mit den neuen Speichertechnologien ihre Kurzschlussfähigkeit erhalten, auf sprunghafte Leistungsüberschuss oder Minderleistung sicher reagieren und die Frequenzstabilität aufrechterhalten können.
Gleichzeitig arbeiten DKE Batterieexpert*innen zusammen mit VDE Renewables in Arbeitsgruppen an der Weiterentwicklung der nationalen und europäischen Normen für Speicherbatterien. Der Arbeitskreis DKE/AK 371.1.14 erstellt zurzeit die Grundlagen für eine Vornorm zur Zweitverwertung von Fahrzeug- und Industriebatterien. Die Fachleute im Normungsgremium erarbeiten neue Prüfanforderungen, wie der State of Health von ausgemusterten Fahrzeugbatterien zu ermitteln ist, bevor sie für ein Second Life, beispielsweise in einem lokalen Batteriespeicher, zugelassen werden können. VDE und DKE gründen gegenwärtig einen neuen Arbeitskreis, um absehbare Regulierungslücken für den Zweiteinsatz von Batterien zu schließen.
Strommarktmechanismen für Speicherintegration weiterentwickeln
Die rasante technische Entwicklung haben die Normungsorganisationen mit der zügigen Novellierung einschlägiger Regelwerke flankiert. Auch hat die Bundesregierung mit den jüngsten Reformen beim Energiewirtschaftsgesetz sowie dem Erneuerbare Energiegesetz den Netzbetreibern mehr Freiheit bei der Integration steuerbarer Verbrauchseinrichtungen und Netzanschlüsse in die Stromnetze gegeben.
Eine Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes ist für 2024 angekündigt, das dafür sorgen wird, dass auch Bestandsanlagen bis 2030 mit intelligenten Mess- und Steuersystemen ausgestattet werden müssen. Für 2023 hat Wirtschaftsminister Robert Habeck zudem ein neues Gesetz angekündigt, mit dem auch Batterien in Fahrzeugen für die Netzdienlichkeit herangezogen werden können.
Gleichwohl sind Speichertechnologien noch unzureichend in die Strommarktmechanismen eingebunden. Die Bundesnetzagentur hat dafür Ende 2022 ein erstes Eckpunktepapier vorgelegt, das gegenwärtig in der Beratung ist. Auf EU-Ebene wird gefordert, dass die Netzbetreiber künftig selber Speichertechnologien einsetzen und betreiben sollen dürfen. Bisher ist das wegen der Trennung von Netz und Erzeugung unzulässig.
Fazit: Der gute Wille für die Netzintegration von Speichern ist da
Dennoch muss sich ein neues Marktdesign mit neuen Anwendungsfällen und Geschäftsmodellen erst noch durchsetzen. Ob beispielsweise Besitzer von Elektrofahrzeugen an netzdienlichen Systemdienstleistungen wirklich interessiert sind, ist noch nicht absehbar und bedarf noch einer genauen technischen Ausgestaltung. Aus ihrer Sicht spielen eher Anwendungen für Vehicle-to-Home zur Eigenverbrauchsoptimierung eine wichtige Rolle. Für Betreiber von Photovoltaik- und Windkraftanlagen kann sich aber nun ein neuer Markt mit großen Stromspeichern entwickeln. Dieser könnte sich betriebswirtschaftlich zu einem lohnenden Geschäftsmodell ausbauen lassen.
Profitieren werden davon vor allem die lokalen Netzbetreiber, die ihre Netzoptimierungsaufgaben noch besser realisieren und sich damit vermutlich hohe Investitionen in den Netzausbau sparen können.
Quelle: Netzintegration von Speichern: Eckstein für Erneuerbare Energien (dke.de)
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